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Utopien
Politikum 2/2018
Im Alltag wird das Wort „utopisch“ gemeinhin für etwas verwendet, das als phantastisch und nicht wirklich gilt. Wer „utopischen“ Ideen anhängt, wird nicht selten als verträumt, als weltfremd angesehen. Dabei hat die Utopie in der Philosophie und in der Literatur Europas eine ebenso lange Tradition, wie sie eine wichtige Funktion im politischen Denken übernommen hat. Bereits in der Antike träumte Platon von einem Ort als Gegenentwurf zu den von ihm kritisierten Zuständen in Athen: Atlantis. Die Menschen der Antike und des Mittelalters erdachten viele weitere Sehnsuchtsorte, die als Gegenentwurf zum eigenen Jammertal zu verstehen sind: das Paradies, Montsalvech, der Gottesstaat oder das Schlaraffenland. Es war schließlich Thomas Morus, der mit seinem Roman „Utopia“ eine neue literarische Gattung schuf und ihr sogleich den Namen verlieh. Seither sind unzählige Werke in Literatur, Philosophie, Bildhauerei, Malerei, Film und Computerspiel entstanden, die Phantasiewelten erschaffen, meist zur Unterhaltung, doch häufig genug mit dem Ziel, die politischen und gesellschaftlichen Zustände zu kritisieren und zu verändern. Einige dieser Utopien – wie der Kommunismus – wurden zu wirkmächtigen Ideologien, die den Gang der Weltgeschichte entscheidend verändern sollten und ihrerseits beißende Kritik erzeugten, die um 1900 eine wieder neue Gattung hervorbrachten: die Dystopie. Diese Ausgabe von Politikum befasst sich mit den verschiedenen Facetten utopischer Entwürfe. Im Anschluss an einen Überblicksbeitrag folgt eine Einführung in die frühen Vorstellungen vom idealen Staat. Mit dem Ausgreifen Europas auf die Welt wuchs das Bedürfnis, eine Ordnung zu schaffen, die den Frieden zwischen den in Entstehung begriffenen Territorialstaaten jenseits dynastischer Arrangement garantieren könnte. Die Sehnsucht nach dem „Ewigen Frieden“ (Immanuel Kant) stand an der Wiege des Völkerbunds und der Vereinten Nationen. Die Skepsis, ob die Menschheit in der Lage sein würde, eine ideale Ordnung zu erschaffen, ließ einige Denker schon früh auf den Gedanken verfallen, dass dazu ein „neuer Mensch“ die Voraussetzung sei. Der entsprechende Beitrag zeigt, dass die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse des 19. Jahrhunderts die Möglichkeit zu eröffnen schienen, solch vage Ideen zu konkreten Plänen weiterentwickeln zu können, bis der Wahn vom „Herrenmenschen“ die zerstörerische Kraft derartiger dystopischer Vorstellungen offenbarte.Auch andere Utopien erschienen nicht als Verheißung, sondern als elementare Bedrohung und brachten ein neues Genre hervor, die Dystopie, die in Filmen und Videospielen deutlich weitere Verbreitung finden als utopische Entwürfe. Die Diskussion um ein „Grundeinkommen“ ist ebenso konkret und aktuell, wie sie kontrovers ist. Ist sie eine „Utopie, die keine bleiben muss“ und – wenn ja – wie ist es um die Finanzierbarkeit bestellt? Oder ist das Grundeinkommen ein Gedanke, der nicht zu realisieren ist? Bei der Gegenüberstellung der konträren Meinungen wird zudem deutlich, dass die Protagonisten von sehr unterschiedlichen Dingen sprechen, wenn von „Grundeinkommen“ die Rede ist. Um ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ für alle Bewohner in Deutschland geht es nämlich in aller Regel nicht, womit die Diskussion aber nicht nur auf dem Boden der harten ökonomischen Tatsachen landet, sondern ihren revolutionären Charakter einbüßt. Nicht alles, was „utopisch“ des Weges kommt, ist weltfremd oder gar überflüssig. Als Ziel oder als Kontrastprogramm zu einer möglicherweise allzu buchhalterischen Politik haben Utopien auch heute ihre politische Funktion.

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