Zu "Eckhard Jesse" wurden 7 Titel gefunden
Der Begriff „Demokratiemodell“ im Titel dieses Heftes verweist auf zweierlei. Zum einen erscheint das demokratische System der Bundesrepublik Deutschland hier auf die zentralen Grundsätze und Grundprinzipien reduziert, nach denen das politische Gemeinwesen gestaltet wird. Zum anderen enthält dieser Begriff einen normativen Anspruch, dem die Realität der Demokratie immer nur „mehr oder weniger“ entsprechen kann, was in dem Begriff „Kratzer“ seinen Ausdruck findet. Der Titel „Kratzer am Demokratiemodell“ soll deutlich machen, dass die in Wissenschaft und Öffentlichkeit verschärft diskutierten Krisendiagnosen, die sich zunehmend im Begriff der Postdemokratie bündeln und mittlerweile sogar zu der Frage geführt haben, ob wir überhaupt noch eine „echte“ Demokratie haben, nicht geteilt werden. Ein allgemeiner Wandel hin zu einer nachdemokratischen Form ist in der Gegenwart nicht in Sicht. Selbst funktionierende Demokratien stehen heute vor großen Herausforderungen und bei der Bewältigung dieser Herausforderungen zeigen sich nicht nur Mängel, sondern auf einigen Ebenen auch Fehlentwicklungen. Welche langfristigen Folgen diese für die Demokratie haben können und ob sie in Zukunft zu einer Krise führen, wird kontrovers diskutiert. Die Fragen, die sich daraus ergeben, stehen im Zentrum dieses Heftes: Inwieweit zeichnet die Diagnose „Postdemokratie“ ein zutreffendes Bild von der Gesamtlage der modernen Demokratie oder erfassen andere Demokratiekonzepte den Gestaltwandel der Demokratie präziser? Welche negativen Folgen hat die Zunahme konkordanzdemokratischer Tendenzen z. B. auf die Debattenkultur in unserer Demokratie? Welche Auswirkungen sozialer Ungleichheit auf politische Beteiligung, politische Zufriedenheit und Demokratiezufriedenheit sind zu erkennen? Ein Teil der Krisendiagnosen der Demokratie betrifft das Parteiensystem. Steckt das Parteiensystem ebenfalls in einer tiefgreifenden Krise oder lässt sich nur von einem begrenzten Wandel bei gleichbleibender Stabilität sprechen? Auch der Deutsche Bundestag, dem man einen weitgehenden Machtverlust attestiert, wird so in die Krisenszenarien hineingezogen. Gefährden die Skandale um NSU und NSA die Demokratie? Inwieweit müssen Lobbyismus und Korruption als Krisensymptome der Demokratie wahrgenommen werden? Die Beantwortung all dieser Fragen zeigt: Kratzer am Demokratiemodell sind nicht zu leugnen. Dennoch: Deutschland verfügt nach wie vor über eine intakte Demokratie.
Die 18. Bundestagswahl dürfte als Hochzeit der Demokratie 2013 erneut das politische Leben in der Bundesrepublik bestimmen. In fünf Beiträgen werden wichtige Gesichtspunkte dieser Bundestagswahl analysiert, wie die aktuell unter dem Druck des Bundesverfassungsgerichts geänderte Rahmenbedingung des Wahlrechts, der Wahlkampf angesichts der neuen technologischen Möglichkeiten im Internetzeitalter, die Optionen für eine Regierungsbildung angesichts einer veränderten Parteienlandschaft und eines fluider gewordenen Wählerverhaltens sowie Möglichkeiten und Grenzen der Wahlforschung. Der besondere Akzent des Bandes liegt in der Verbindung von aktueller Analyse und einem zeitlichen Längsschnitt, in dem Traditionslinien und Veränderungen seit der ersten Bundestagswahl beleuchtet werden.
Das demokratische und pluralistische System der Bundesrepublik lässt sich ohne hinreichende Kenntnisse seiner Vergangenheit und ohne ein ausreichendes Bewusstsein seiner historischen Genese weder verstehen noch adäquat bewerten. Deutschland feiert 2009/2010 ein Doppeljubiläum: 60 Jahre Bundesrepublik, 20 Jahre friedliche Revolution und 20 Jahre deutsche Einheit. Dies scheint Anlass genug, zum einen zurückzublicken auf die doppelte "Gründungssituation" von 1949 und die getrennte, aber doch aufeinander bezogene Entwicklung der beiden deutschen Staaten, zum anderen auf die Zeit nach 1989.