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Produktinformationen

Als Anfang 2011 in ganz Ägypten Aufbruchsstimmung herrschte, waren viele in der westlichen Welt überrascht: Gut ausgebildete junge Menschen forderten soziale und politische Beteiligung; zivilgesellschaftliche Einrichtungen arbeiteten mit nicht-offiziellem Status; neue demokratische Ideen nahmen Form an. Nur wenige Fachleute hatten die Entstehung einer kritischen Gegenöffentlichkeit in arabischen Ländern – auch in Ägypten – bereits im Gefolge von 9-11 bemerkt. Beteiligte an Austauschprogrammen mit Ägypten lernten über Jahrzehnte die Entwicklung nicht-staatlicher Einrichtungen im Schatten des Mubarak-Regimes kennen. Sie erlebten, wie die junge Generation in Ägypten heranwuchs, die im Jahr 2011 den politischen Wandel einleitete. Dieses Buch fasst die Erfahrungen von 20 Jahren Austauscharbeit mit Ägypten vor dem Hintergrund der aktuellen Situation in der arabischen Welt zusammen. Anhand der durchgeführten Projekte beschreibt es die Inhalte, Lernprozesse und Wirkungsgeschichte politischer Bildung in einer internationalen (und interkulturellen) Konstellation. Gleichzeitig werden die Erfahrungen dieser Zusammenarbeit zu den Analysen (der Fachliteratur und zum Diskurs) in den Referenzwissenschaften in Beziehung gesetzt. Die einzelnen Kapitel befassen sich mit den Themenschwerpunkten politische Rahmenbedingungen und Förderung, dem sensiblen Überschneidungsfeld von Religion und Politik, mit Demokratiebegriff und demokratischer Entwicklung, mit Strukturen und Gestaltung der Zivilgesellschaft, den Erfahrungen in multilateralen Projekten, der Kurz- und Langzeitwirkung politischer Bildung und den Perspektiven der Zusammenarbeit mit arabischen Ländern. Die Publikation richtet sich an Fachkräfte, Trainer/innen und Fördergeber, die das Aktions- und Wirkungsspektrum politischer Bildung im internationalen Kontext reflektieren möchten. Gleichzeitig bietet es wertvolle praktische Anregungen für die Arbeit mit Gruppen aus Europa und der arabischen Welt.

Inhaltsübersicht

Eine Einführung zu diesem Buch

Kapitel 1
Schwierige Rahmenbedingungen. 20 Jahre Austauscharbeit im Spannungsfeld von Nahostkonflikt und Revolution

1.1 Das Profil der beteiligten Partnerorganisationen
1.2 Die Partnerorganisationen im Spiegel der Gesellschaften ihrer Länder
1.3 Euro-mediterrane Beziehungen als Bezugsrahmen: vom bilateralen Austausch zu multilateralen Konstellationen
1.4 Europa: wirtschaftlicher Riese und sicherheitspolitscher Zwerg. Gespräche bei EU und NATO in Brüssel
1.5 Deutsch-ägyptischer Austausch im Kontext des Nahostkonflikts
1.6 „Transformationspartnerschaften“ nach dem Arabischen Frühling. Die Förderung europäisch-arabischer Zusammenarbeit durch das Auswärtige Amt
1.7 Gelebte Vielfalt in der Einwanderungsgesellschaft? Deutschland und der interkulturelle Dialog (Gespräch im Auswärtigen Amt)
1.8 Rahmenbedingungen von bi- und multilateralen Konstellationen: Rückschlüsse aus der internationalen Dimension für die politische Bildung

Kapitel 2
Gewagte Dialoge. Zusammenarbeit mit Ägypten im Spannungsfeld von Religion und Politik

2.1 Das Spannungsfeld von Religion und Politik im fachlichen Diskurs
2.2 „Stolz und Vorurteil“? Die Thematisierung innerägyptischer Konflikte in Austauschprogrammen
2.3 Anpassung und taktisches Kalkül. Ägyptische Christen erleben deutsche Moscheen
2.4 Eingeholt von der Realität: politische Bildung im Zeitgeschehen
2.5 Scharia. Schreckgespenst und Quelle der Verfassung
2.6 Etikette(n). Die vorsichtige Anwendung interreligiöser Dialogerfahrung in Ägypten
2.7 Inspiration und Übungsfeld. Der Beitrag der politischen Bildung zum Spannungsfeld von Politik und Religion

Kapitel 3
Eine Frage der Mehrheit? Die vielen Gesichter der Demokratie

3.1 „Verordnete Demokratie“ und Scheinfassade. Politische Strukturen zu Zeiten Mubaraks
3.2 Suchbewegung oder: die permanente Revolution? Demokratie-
entwicklung und Militärherrschaft nach der Absetzung Mubaraks
3.3 Was ist Demokratie? Antworten aus der deutsch-ägyptischen Zusammenarbeit in bi- und multilateralen Kontexten
3.4 Islam und Demokratie: politische Wirklichkeit und interkulturelles Lernfeld
3.5 Gesellschaft als Gestaltungsfeld. Zur Demokratieerfahrung ägyptischer Teilnehmender
3.6 Die Revolution verlässt ihre Kinder. Zur Auseinandersetzung um die Gestaltung der Demokratie in Ägypten
3.7 Dialog und Demokratie. Ein Lernprozess im Team
3.8 Demokratie-Bildung und Perspektiventwicklung. Der Beitrag der politischen Bildung im Prozess der Umgestaltung

Kapitel 4
Freiheit vom Staat? Zivilgesellschaft und deren Gestaltung

4.1 Zivilgesellschaft – Exportgut eines „westlichen“ Konzepts?
4.2 Zivilgesellschaftliche Einrichtungen im Kontext der ägyptischen Revolution
4.3 Identität und Selbstbewusstsein in der Müllstadt: ein Projekt der ägyptischen Zivilgesellschaft
4.4 Armut und Kinderarbeit auf dem Land. Einblicke in Projekte der ägyptischen Zivilgesellschaft
4.5 Power, Pech und Partizipation: Einblicke in die deutsche Zivilgesellschaft am Beispiel der Jugendarbeit
4.6 Impulse aus der Zivilgesellschaft: Flüchtlingsrat und pro Asyl
4.7 Spuren hinterlassen. Das zivilgesellschaftliche Engagement der Partnerorganisationen in ihren Ländern
4.8 Rückschlüsse für politische Bildung

Kapitel 5
Die Revolution hat viele Gesichter.
Zusammenarbeit mit Ägypten in internationalen Konstellationen

5.1 Heiße Themen – heikle Fragen. Zu den kontroversen Diskursen in multilateralen Projekten mit ägyptischer Beteiligung
5.2 Der steinige Weg zur Demokratie. Erfahrungen aus drei arabischen Ländern
5.3 Postdemokratie und politische Kultur: Erfahrungen aus den Transformationsgesellschaften in Europa
5.4 Demokratie-Bildung. Übungen gegen Berührungsängste mit einem kontroversen Thema
5.5 Vergangenheitsbearbeitung – ein heißes Eisen
5.6 Menschenrechte zwischen universellem Anspruch und kultureller Interpretation
5.7 Rückschlüsse für die politische Bildung

Kapitel 6
Eine Erfahrung fürs Leben? Beteiligte bewerten die Kurz- und Langzeitwirkung der Austauschprogramme

6.1 Lernen fürs Leben. Zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Langzeitwirkung internationaler Austauschprojekte
6.2 „You opened doors of which we didn’t even know that they existed.“
Zur Langzeitwirkung der Projekte aus ägyptischer Sicht
6.3 Berührungspunkte. Zur Langzeitwirkung der Projekte aus deutscher Sicht
6.4 Demokratie beginnt bei uns. Rückmeldung der Teilnehmenden aus den Jahren 2011-2013
6.5 Designing the experiments together. Rückmeldungen über die Zusammenarbeit im internationalen Team
6.6 Kontinuität und Wandel: Die Wirkungsgeschichte einer 20-jährigen Zusammenarbeit aus Sicht der Projektleiter

Kapitel 7
Leben heißt, die Wahl haben. Perspektiven der weiteren Zusammenarbeit

7.1 Im Schatten des Wandels: Perspektiven demokratischer Entwicklung in der arabischen Welt aus Sicht der Fachliteratur
7.2 Inspiration durch Vielfalt: Austausch mit anderen arabischen Ländern
7.3 Inspiration durch Unterschiede: Austausch mit europäischen Ländern
7.4 Inspiration durch Lernprozesse: Demokratie-Bildung im Projekt
7.5 Inspiration durch Methodik: Von der Analyse zum Erfahrungslernen
7.6 Inspiration durch Austausch: Weiterarbeit in Deutschland und Ägypten

Autor*innen

Martin Kaiser ist Politikwissenschaftler und Leiter des Gustav Stresemann Instituts in Niedersachsen. Seit 1994 arbeitet er mit Ägypten in bi- und multilateralen Projekten zusammen. Thematische Schwerpunkte sind dabei Demokratie-Bildung, Gestaltung der Zivilgesellschaft, Dialog- und Streitkultur sowie Vergangenheitsbearbeitung.

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Erinnerungsarbeit und Erinnerungskultur heute
Stichworte wie „Vergangenheitsbewältigung“ oder „Erinnerungskultur“ waren nicht nur konstitutiv, sondern lange Zeit auch prägend für das Selbstverständnis der Politischen Bildung in Deutschland nach 1945. Gerade im Zusammenhang mit den sich häufenden Erinnerungsjahren stellt sich deshalb die Frage, in wie weit Adornos berühmte Formel einer „Erziehung nach Auschwitz“ und seine pädagogische Prämisse und Forderung, „dass Auschwitz nicht noch einmal sei“, heute noch von zentraler Bedeutung für Politische Bildung ist oder sein sollte. Diese Frage ist nicht zu trennen von aktuellen Forderungen, eine historisch-politische Bildung zu entwickeln, die auch den nachfolgenden Generationen und jungen Migranten/innen gerecht werden kann. Weitere aktuelle Herausforderungen für eine zeitgemäße „Politische Bildung nach Auschwitz“ sind der wachsende Rechtsextremismus und die Frage nach einer Europäisierung von Erinnerung. Siebzig Jahre nach der Befreiung des KZ Auschwitz knüpft die non-formale Politische Bildung mit der Beteiligung an diesen Debatten an ihre normativ aufklärerischen Traditionen an. Der Band liefert einen wichtigen Beitrag zum Diskurs über Ziele, Aufgaben und Selbstverständnis der Politischen Bildung, der über die oft selbst gesetzten, engen Grenzen von schulischer Politikdidaktik und außerschulischer Politischer Bildung hinaus reicht und Erinnerungspädagogik als gemeinsame Aufgabe in den Blick nimmt. Mit freundlicher Unterstützung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“

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