Männlichkeitskonstruktionen der Jungenarbeit
Eine gender- und adoleszenztheoretische Kritik auf empirischer Grundlage
Der vorliegende Band geht der Frage nach, wie im Mainstream der Jungenarbeit Geschlecht und Geschlechterverhältnisse „männlich hegemonial“ reproduziert werden. Indem die Jungenarbeit vorgibt, mit adoleszenten Jungen an der Herausbildung einer stabilen männlichen Geschlechtsidentität zu arbeiten, geraten die Bildungskonzepte zunehmend in einen Sog der Verfestigung von Zweigeschlechtlichkeit, aus deren struktureller Begrenzung sich die Jungenpädagogik nicht mehr befreien kann und will. Dabei werden Männlichkeitskonstruktionen weder ausreichend reflektiert, noch gründlich hinterfragt. Vor diese…
Bestellnummer: | 4763 |
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EAN: | 9783899747638 |
ISBN: | 978-3-89974763-8 |
Format: | Broschur |
Reihe: | Wochenschau Wissenschaft |
Erscheinungsjahr: | 2012 |
Auflage: | 1 |
Seitenzahl: | 336 |
Produktinformationen
Der vorliegende Band geht der Frage nach, wie im Mainstream der Jungenarbeit Geschlecht und Geschlechterverhältnisse „männlich hegemonial“ reproduziert werden. Indem die Jungenarbeit vorgibt, mit adoleszenten Jungen an der Herausbildung einer stabilen männlichen Geschlechtsidentität zu arbeiten, geraten die Bildungskonzepte zunehmend in einen Sog der Verfestigung von Zweigeschlechtlichkeit, aus deren struktureller Begrenzung sich die Jungenpädagogik nicht mehr befreien kann und will. Dabei werden Männlichkeitskonstruktionen weder ausreichend reflektiert, noch gründlich hinterfragt.
Vor diesem analytischen Hintergrund macht eine geschlechterkritische Perspektive im Rekurs auf Butler sichtbar, dass neben der erzwungenen Übernahme heteronormativer Zuschreibungen und männlicher Sexuierung im Bildungsprozess insbesondere die Anfechtung und Zurückweisung von Zweigeschlechtlichkeit - als unterstellter Norm - wirkmächtig ist.
Das empirische Material liest sich hierbei wie ein Roman adoleszenter Subjektbildung: Was sich im Fokus ethnoanalytischer Verstehenspraxis ausdeuten lässt, ist als Triangulierung und Differenzierung eines autonomen Selbst zu verstehen und versucht sich damit – nicht ganz ungebrochen – nahegelegter Vereindeutigung zu entziehen.
Inhaltsübersicht
Einleitung
Problemaufriss und Forschungshypothese
1. Grundzüge einer Theorie adoleszenter Triangulierung
1.1. Psychosoziale Organisationsmuster der Triangulierung
Intersubjektivität und dreigliedrige Strukturbildung
Selbstwahrnehmung und Objektbildung
Ödipale Triade und adoleszenter Konflikt
Triangulierung sexueller Repräsentanz
Abgrenzung und Separation
1.2. Präsentative Triangulierung und Differenzierung
Ambivalenz und Mehrperspektivität
Ambiguität und Wir-Erfahrung
Symbolisierung triadischer Repräsentanzen
1.3. Symbolische Überschreitung von Geschlechtsidentitäten
1.4. Sprachliche Triangulierung und Differenzierung
Assoziieren: Perspektivität als Selbstüberschreitung
Kommunizieren: Alter-Ego-Bedürfnis und Selbstkohärenz
1.5. Selbstbehauptung und Anerkennung im Wir-Selbst der Gruppe
Konfrontation mit dem realen Anderen
Ich und Wir als Abbild der Gruppe
Wir-Repräsentanz: Selbst- und Fremdwahrnehmung im Ich
2. Konzeptionen der Jungenpädagogik: Analyse und Kritik
2.1. Heteronormativität als geschlechtertheoretische Grundlage:
Strukturen und Verwerfungen
2.2. „Gründungsszenen“ jungenpädagogischer Maßnahmen
2.3. Hegemoniale Männlichkeit als dyadisches Prinzip
der „Nachfolge“
2.4. Jungenpädagogische Handlungsprinzipien
Intervention: Handlungsmaxime zur Kompensation
„defizitärer Männlichkeit“
Initiation: Herrschaftsförmige Symbolrepräsentation durch
Mentorenschaft
2.5. Konzeptionelle Beugungsmuster geschlechtlicher Differenz
Kommutation: Modifikation und Austausch „männlicher Geschlechts-Rollen“
Androgynie: Aneignung weiblicher Selbstanteile und
„kontrollierte Schizophrenie“
Paternalismus: Zurückweisung „weiblicher Identitätsmuster“
und geschlechtliche Opposition
3 . Methode, Erkenntnistechnik und Interpretation
Hermeneutische Verstehenspraxis
Modellszenen als Indikatoren „motivationalen“ Handelns
Intersubjektivität als Prozessanalyse
Bausteine ethnoanalytischer Textinterpretation
Vier Interpretationsebenen männlicher Adoleszenz
Geschlechtertheoretische Lesarten der „Subjektivation“
4. Empirischer Teil: Das Jugendbildungsseminar
4.1. Seminarüberblick, Arbeitsraum und Jungengruppe
Die Themen der Seminarwoche
Seminarraum und Gruppe
4.2. Vorgespräche und organisatorischer Rahmen
Erstgespräch mit den Bildungsreferenten
Arbeitstreffen zur Seminarvorbereitung
4.3. Kleingruppenarbeit: Triaden der „Selbst“-Erzeugung, Individuierung und Autonomie
4.3.1. Adoleszente Triangulierung und Subjektbildung
„Stimmungsbarometer“ und intersubjektive Regulation
Intersubjektive Organisation und Handeln in Triaden
Gruppenübungen zu „Vertrauensbildung und Partnerschaft“
Kohäsiverfahrungen der Gruppe am Beispiel der „Partnerschaukel“
Repräsentanzen des Außenstandpunktes
Identifikatorischer Wechsel und Separation
4.3.2. Symbolisierung triadischer Ordnung im Gruppenselbst
Entfaltung von Reflexivität und Urteilsvermögen
Reflexive Korrespondenz und trianguläre Kompetenz
„Ein Rennen mit verbundenen Augen“
Selbstwahrnehmung innerhalb dyadischer Strukturierungsversuche
Aufrechterhaltung von Ambiguität im Gruppenprozess
4.3.3. Triadische Allianzen im Wir-Selbst der Gruppe
Die Bedeutung der Klassengemeinschaft
Einschluss und Ausschluss
Die „Räucherkammer“ als Symbolisierung von Gruppenautonomie und Integrität
„Wir machen doch gar nichts“: Selbstreflexivität, Anerkennung und Partizipation
4.4. Geschlechterdiskurse
4.4.1. „Jungen sind...?“ – Geschlechterpositionelle Zuweisungen im Widerstreit
Versuche einer Auflösung von Identitätskonstruktionen
Verfremdung von Männlichkeitsstereotypen
Hierarchisierung im männlichen Binnenverhältnis
Fragehorizonte zum Thema „Junge sein“
„Jungen müssen..., Jungen dürfen...?“
„Milch macht uns schwach“: Grenzziehungen hegemonialer Männlichkeit
Die Suche nach dem eigenen Weg:
Zurückweisung und Desidentifizierung
Negativfolien einer Aneignung von Männlichkeit
4.4.2. Sexuierung und Differenzierung am Beispiel „Freundschaft“
Rücksicht nehmen: „Wenn ich große Schritte mache...“
Das „Erdrückende“ des Geschlechterdiskurses
Sexuierungszwang und Differenzierungsbedürfnis.
Hegemonialität als Ausdruck innermännlicher Rivalität und sexueller Dominanz
Heterosexuelle Bettszenen und Treuebruch
„Betrug“ als innermännlicher Diskurs
Rivalitäts- und Anerkennungskonflikt: Normierung adoleszenten Begehrens
4.4.3. Amalgamisierung hegemonialer Standpunkte zu Männlichkeit
Naturalisierung des Phallus im symbolischen Diskurs
„Chef sein“: Hegemoniale Positionierungen im innermännlichen Diskurs.
Patriarchale Männlichkeit: Abwehr der Introspektion durch Nachahmung
4.4.4. Erotisierung des Körpers im Dienste der Unterwerfung
„Neue Väterlichkeit“ als Bemächtigung adoleszenten Begehrens
5. Schlussbetrachtung
Zur Rekonstruktion und Bedeutung kollektiver Sinnbildung
Zur Kritik geschlechterkategorialer Jugendbildung
Literaturverzeichnis