Inklusive Geschichtsdidaktik
Vom inneren Zeitbewusstsein zur dialogischen Geschichte
- von
- Bärbel Völkel
Inklusion beschreibt ein Grundrecht auf Teilhabe aller Menschen auch an historischer Bildung. Hierfür ist eine geschichtsdidaktische Theoriebildung notwendig, die jeden Menschen, unabhängig von seinen Fähigkeiten und seiner Herkunft, gleichermaßen erfassen kann. Anknüpfend an den phänomenologischen Ansatz der Disability Studies entwickelt die Autorin eine geschichtsdidaktische Theorie, die beim Menschen selbst und nicht beim Phänomen Geschichte ansetzt. Dies bedeutet einen Paradigmenwechsel: Vernunft und Rationalität, die wir bisher im Bewusstsein verorten, werden auf den Leib als erste Koord…
Bestellnummer: | 40476 |
---|---|
EAN: | 9783734404764 |
ISBN: | 978-3-7344-0476-4 |
Format: | Broschur |
Reihe: | Wochenschau Wissenschaft |
Erscheinungsjahr: | 2017 |
Auflage: | 1. Aufl. |
Seitenzahl: | 240 |
- Beschreibung Inklusion beschreibt ein Grundrecht auf Teilhabe aller Menschen auch an historischer Bildung. Hierfür ist eine geschichtsdid… Mehr
- Inhaltsübersicht 1. Worum es gehen wird … 2. Worin liegen der Sinn und der Zweck des Geschichtsunterrichts heute? 2.1 Geschichtsbewusstsein… Mehr
- Autor*innen Bärbel Völkel, Dr., Professorin für Geschichte und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Zuvor war sie… Mehr
- Stimmen zum Buch „Es handelt sich um eine Fundamentalkritik am derzeitigen Theoriekonzept der Geschichtsdidaktik. Da alle historische Bildung… Mehr
Inklusion beschreibt ein Grundrecht auf Teilhabe aller Menschen auch an historischer Bildung. Hierfür ist eine geschichtsdidaktische Theoriebildung notwendig, die jeden Menschen, unabhängig von seinen Fähigkeiten und seiner Herkunft, gleichermaßen erfassen kann.
Anknüpfend an den phänomenologischen Ansatz der Disability Studies entwickelt die Autorin eine geschichtsdidaktische Theorie, die beim Menschen selbst und nicht beim Phänomen Geschichte ansetzt. Dies bedeutet einen Paradigmenwechsel: Vernunft und Rationalität, die wir bisher im Bewusstsein verorten, werden auf den Leib als erste Koordinate jeglicher Hinwendung zur Welt bezogen. Begründet wird diese Vernunft des Leibes über das retentionale Bewusstsein, in dem auch die Geschichtlichkeit des Menschen als sedimentierte Geschichte enthalten ist. Als Umschlagstelle zwischen Natur und Kultur ist der Leib ein Ort ganz eigener Reflexivität, der jedem Menschen gleichermaßen eigen ist und seine Hinwendung zur Welt unhintergehbar rahmt.
Eine so verstandene inklusive historische Bildung ermöglicht einen Zugang zur sedimentierten Geschichte im Leib. Dies beginnt in Form eines responsiven Verhaltens und erstreckt sich bis hin zu Thematisierungen elaborierter Geschichten, die mit den Menschen verbunden sind, die zusammen leben. Mit Hilfe einer elaborierten Geschichte können Menschen so über sich aufgeklärt werden, dass sie nicht nur Dialoge über Geschichten führen, sondern dialogische Geschichte erleben können.
1. Worum es gehen wird …
2. Worin liegen der Sinn und der Zweck des Geschichtsunterrichts heute?
2.1 Geschichtsbewusstsein – jeder Mensch hat es …
2.2 Die Orientierungsfunktion von Geschichte – ein Blick zurück in die europäische Geschichte
2.3 Kultur als wertender Vergleichsbegriff
2.4 Kultur als Sinn
2.5 Das Gedächtnis der Gesellschaft, die Erinnerungskultur und das kollektive Gedächtnis
2.6 Die Geschichtskultur als die soziale Seite des Geschichtsbewusstseins
2.7 Im Fluchtpunkt zwischen Geschichtsbewusstsein und Geschichtskultur – die historische Identität
3. Geschichtsunterricht für einige, nicht für alle
3.1 Geschichte und Dominanzkultur
3.2 Der Gedächtnisbezug der Geschichte – Ethnozentrierung und Antigeschichte
3.3 Geschichte und der fähige Mensch – Ausführungen zum historischen Prozess und zum historischen Lernen
4. Racism – Abelism – Sexism – Homophobia
5. Der Mensch und seine Stellung zwischen Natur und Kultur
5.1 Mein Leib – ein Ort eigener Vernunft
5.2 Mein Leib – Ein Ort von Reflexivität eigener Art
6. Mein Leib und sein orientierter Raum
6.1 Die Entstehung des Raumes für mich
6.2 Raum und Geschichte
6.3 Mein Leib und die Begegnung mit Anderen
6.4 Mein Leib – die Umschlagstelle zwischen Natur und Kultur
6.5 Der Leib im Kontext der Geschichtsdidaktik – Geschichtsbewusstsein als Aspekt der leiblichen Reflexivität
7. Mein Leib und seine orientierte Zeit
7.1 Zeit entsteht im Leib über Bewegungen
7.2 Retentionen, Protentionen und sekundäre Wiedererinnerungen als Grundphänomene des inneren Zeitbewusstseins
7.3 Sinnbildung über Zeiterfahrung: Orientierung in der Zeit mit dem Ziel einer historischen Orientierung
7.4 Gegenwartserinnerungen als Grundphänomen für das Identitätsbewusstsein
7.5 Historische Identität und Subjektbildung in der aktuellen geschichtsdidaktischen Theoriebildung
7.6 Der Andere als mein alter ego – die Sozialität des Leibes
8. Die Bedeutung der Sinne bei der Sinnbildung
8.1 Noch einmal: Die Vernunft des Leibes
8.2 Denken und Sprechen vom Leib her gesehen – das primordiale Selbst
9. Historische Bildung – vom Leib her gesehen
10. Geschichte im retentionalen Bewusstsein: Historische Bildung für Menschen mit Komplexen Behinderungen
10.1 Responsives Verhalten und auf den Widerhall von Geschichte im eigenen Leib hören
10.2 Wenn die historische Erfahrung nach innen gelegt wird …
11. Geschichte im retentionalen Bewusstsein: Historische Bildung zur Vorbereitung Dialogischer Geschichte
11.1 „Hier stehe ich! Ich kann nicht anders!“ – Das Gewissen wird zur unhintergehbaren Instanz
11.2 Das Wissen um das, was Jan Hus geschehen war: Sedimentierte und elaborierte Geschichte
11.3 Elaborierte Geschichte: Subjektives in Ereignisfolgen erkennen
11.3.1 Darf einer das überhaupt? Plurale Meinungsbildung als Bezugspunkt einer elaborierten Geschichte
11.3.2 Der Islam braucht weder eine Renaissance noch eine Aufklärung, Europa hingegen mehr Selbstreflexivität
12. Dialogische Geschichte als Begegnungsgeschichte oder der unbedingte Wille, gut zusammen zu leben
12.1 Dialoge über Geschichte: Von der Notwendigkeit, mit eigener Stimme sprechen zu lernen
12.2 Dialogische Geschichte: „Kannst du mir sagen, was ich will?
Literaturverzeichnis
„Es handelt sich um eine Fundamentalkritik am derzeitigen Theoriekonzept der Geschichtsdidaktik. Da alle historische Bildung, wenn sie sich als zeitgemäß verstehen will, inklusiv zu denkende Bildung ist, kann eigentlich niemand an diesem Buch vorbei, der sich mit der Theorie und Didaktik der Geschichtswissenschaft beschäftigt."
Susan Krause in H-Soz-Kult, 11.10.2017
Sie könnten auch an folgenden Titeln interessiert sein
Barrierefreie Quellen in leichter Sprache, nicht-kognitive Zugänge zum historischen Lernen, Disability History, inklusive Curricula, „historische“ Kompetenzraster, Einbezug einer inklusiven Geschichtskultur – das sind neue Herausforderungen, die die Inklusion an den Geschichtsunterricht stellt. Dazu müssen Kategorien und Paradigmen der Geschichtsdidaktik wie Geschichtsbewusstsein, Narrativität und der quellenbasierte Geschichtsunterricht überdacht und mit Konzepten und Ansätzen wie historischer Imagination, ästhetischen Zugängen und emotionalen Kompetenzen in Zusammenhang gebracht werden. In diesem Band wird das inklusive historische Lernen in theoretischen, empirischen und pragmatischen Beiträgen diskutiert. Ausgelotet werden soll dabei, wie der domänenspezifische Kern des Geschichtsunterrichts zum Kern eines inklusiven Fachunterrichts werden kann – jenseits aller Befürchtungen, dass die Prinzipien des Faches Geschichte durch Inklusion verwässert werden könnten. Die Beiträge gehen davon aus, dass der Eigen-Sinn der Lernenden und ihre je individuellen Aneignungsprozesse von Geschichte im Mittelpunkt des Geschichtsunterrichts stehen müssen.
Die Geschichte des Holocaust als erfahrene und erlebte Leidensgeschichte wird mit dem Versterben der letzten Zeitzeugen enden. Darüber, dass der Holocaust damit nicht in Vergessenheit geraten darf, besteht weltweit Einigkeit. Doch wie kann Erinnerung aufrechterhalten werden, ohne zu einem bloßen Ritual zu erstarren? Das vorliegende Unterrichtsmaterial plädiert für eine Form des konkreten Erinnerns, aus dem Konsequenzen für das Leben in der Gegenwart folgen. Gedenken an den Holocaust wird auf verschiedenen Ebenen als offene Aufgabe betrachtet: Anhand tatsächlicher Biografi en wird die Geschichte der Opfergruppen des Nationalsozialismus von den 1920ern bis in die Gegenwart nachgezeichnet. Es wird deutlich, dass diese Gruppen auch heute noch Marginalisierung und Ausgrenzung erfahren. Der industrielle Massenmord wird als Prozess verständlich, der nicht plötzlich aus dem Nichts kam, sondern sich schleichend zur Normalität entwickelte. Damit entsteht Problembewusstsein für bedingt vergleichbare Entwicklungen in der Gegenwart. Die Materialien erinnern daran, dass es Handlungsalternativen gegeben hätte, der Holocaust also kein unaufhaltbares Geschehen war. Damit kann die Erkenntnis verbunden sein, dass das Handeln in der Gegenwart mit einer Verantwortung für die Zukunft verknüpft ist.
Inklusion ist das bildungspolitische Schlagwort der Gegenwart. Davon bleibt kein Schulfach unberührt. In Förderschulen ist Geschichte als eigenständiges Fach in aller Regel nicht präsent. Es ist hier ein eher marginales Themenfeld innerhalb von Lernbereichen wie Gesellschaftslehre oder Sachunterricht. Einigkeit besteht aber darüber, dass Menschen mit Behinderung vom historischen Lernen nicht exkludiert werden dürfen. Die Umsetzung wirft allerdings einige Fragen auf: Wie sieht die Zukunft des Faches Geschichte in der inklusiven Schule aus? Kann es seine Selbständigkeit bewahren oder wird es in einen Lernbereich integriert? Welchen Bedingungen unterliegt historisches Lernen bei Menschen mit (diversen) Behinderungen? Wie kann die Organisation historischen Lernens in der inklusiven Schule den Bedingungen aller Schüler (gleichermaßen) gerecht werden? Welche Organisationsformen sind angemessen? Dies sind drängende Fragen, die bislang eher von Sonderpädagogen als von Geschichtsdidaktikern angegangen wurden. Aber schulisches Lernen ist fachliches Lernen. Eine Zusammenarbeit von Sonderpädagogik und Geschichtsdidaktik ist dringend geboten. Im vorliegenden Band wird der Weg für eine solche Kooperation geebnet. Zu Wort kommen Geschichtsdidaktiker, Sonderpädagogen und Unterrichtspraktiker. Sie umreißen die Bedingungen historischen Lernens bei Förderbedürftigen und berichten aus der Praxis über gelungenen Unterricht, aus dem sich wertvolle Ideen für das eigene unterrichtliche Handeln ableiten lassen. Das ist nur ein erster Schritt, aber einer mit dem die Geschichtsdidaktik manch anderem Fach vorauseilt.
Wochenschau Wissenschaft
Welche impliziten und expliziten Transformationsvorstellungen liegen den Konzepten Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) zugrunde? Im Rahmen der qualitativen Forschungsarbeit wird aus einer machtkritischen Perspektive das Verhältnis von Globalem Lernen/BNE und Transformation untersucht.
PPP – Synonym für einen besonderen deutsch-amerikanischen Jugendaustausch. Chronik und Analyse seiner Entstehung und Entwicklung geben aufschlussreiche Einsicht in die Hintergründe eines Hidden Champions der transatlantischen Kulturbeziehungen.
Janusz Korczak gilt als Pionier der Kinderrechte. Dieser Band bietet eine fachübergreifende Auseinandersetzung mit der Frage nach der Anschlussfähigkeit von Korzcaks Ideen für Gesellschaften des 21. Jahrhunderts.
Der Sammelband greift machtkritische und intersektionale Diskurse sowie damit verbundene offene Fragen auf und bündelt innovative Beiträge einer interdisziplinären Tagung anlässlich der Pensionierung von Bärbel Völkel.
In diesem Werk analysiert der Autor diskursanalytisch die Subjektgeschichte der Politischen Bildung von 1955 bis 1980. Dabei beleuchtet er präferierte sowie marginalisierte Subjektkonstruktionen und ihre systematischen Ausschlussprozesse.
Michael Sauer ist einer der bekanntesten Geschichtsdidaktiker Deutschlands, der zu vielen Aspekten der Disziplin publiziert hat. In dieser Festschrift greifen Kolleginnen und Kollegen Sauers Impulse auf und setzen sich damit auseinander.
Angesichts der gesellschaftlichen Umbrüche und Transformation steht das historische Lernen vor vielfältigen Herausforderungen und Neuorientierungen. Mit den Themenfeldern Digitalität, Sprache und Geschichtskultur werden einige relevante Themengebiete für zeitgemäßes historisches Lernen im 21. Jahrhundert beleuchtet.
Der Band vereint unterschiedliche Perspektiven auf Fragen demokratischer Bildung in Schule und Hochschule. Die Beiträge von gehen auf eine gemeinsame Ringvorlesung des hochschulübergreifenden Netzwerkes Bildung und Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern zurück.
Der Band diskutiert aus interdisziplinärer Perspektive soziale, emotionale und historische Dimensionen des Urteilens, stellt empirische Befunde vor und fragt nach Möglichkeiten der Urteilsbildung im digitalen Raum.
Die in "Diversität und Demokratie" versammelten Beiträge fokussieren die Zukunft der sprachlichen und politischen Bildung im Lichte gesellschaftlicher Vielfalt aus interdisziplinärer Perspektive. Sie thematisieren die Rolle der Sprache in der politischen und des Politischen in der sprachlichen Bildung und damit die Verknüpfung von edukativen Praktiken, politischen Diskursen und Sprachhandeln. Angesichts sich rasch wandelnder Rahmenbedingungen - etwa in Hinblick auf Dynamiken sozialer, kultureller und sprachlicher Diversifikation, Digitalisierungsprozesse wie auch Prävention und Bewältigung vo…
Unterscheiden sich die Demokratie- und Partizipationseinstellungen von geflüchteten Schüler*innen mit und ohne internationale Familiengeschichte, die an den Berufskollegs im Ruhrgebiet beschult werden, voneinander?
Kinder haben ein Recht auf Politische Bildung. Doch häufig werden ihnen politische Themen nicht zugetraut und das Politische ihrer Lebenswelt negiert. Die Berichte der Lehrer*innen in diesem Band geben Einblicke in die vielfältigen Interessen und Fragen von Kindern zu aktuellen und vergangenen Krisen und Konflikten. Die kindlichen Fähigkeiten und wichtigen Potentiale Politischer Bildung werden dabei jedoch weitgehend unterschätzt. Die Gründe dafür sind vielschichtig, wie eine hohe Arbeitsbelastung, Defizite in der sozialwissenschaftlichen Lehramtsausbildung oder fehlende Angebote der Fachdida…
Der konfessionelle Religionsunterricht ist positionell. Wie kann ein solches Fach Indoktrination vermeiden und Kontroversität ermöglichen? An unterschiedlichen Themenbeispielen – Klimaschutz, Wirtschaftsethik und Verschwörungserzählungen – diskutiert der Band diese Frage. Auf der Basis interdisziplinärer Perspektiven wird ein religionspädagogisches Konsentpapier ("Schwerter Konsent") entworfen.
Der Band bietet pädagogische Überlegungen, die angesichts vielfältiger Krisen dazu beitragen, die Gefahr der Distanz zwischen Bürgerschaft und Demokratie zu verringern, Krisenerscheinungen als Lernanlässe zu verstehen und produktiv damit umzugehen.
Der Band versammelt Impulse zum Diskursstand sowie empirische Studien und konzeptionelle Überlegungen zur Visual History und ihren Potenzialen in der historisch-politischen Bildung. Er widmet sich dabei vielfältigen Visualia und den sie betreffenden (geschichtskulturellen) Distributions- und Verarbeitungsstrategien.